Edith Schreiber-Wicke

Ich schreibe seit ich mich erinnern kann.

Wenn man ein Kind ist, kann man sich ganz schwer vorstellen, eines Tages erwachsen zu sein. Mir ging’s jedenfalls so.

Heute bin ich längst kein Kind mehr und noch immer kann ich mir ganz schwer vorstellen, wirklich und richtig und ganz erwachsen zu sein.

Ich darf zwar mittlerweile Auto fahren und am Abend lesen so lange ich will. Ich darf mich weigern, Tiere zu essen, weil man Freunde nicht isst.

Aber sonst? Sonst fühl ich mich oft genug wie neun. Oder höchstens wie dreizehn.

Manchmal fragt mich wer: „Warum schreibst du Bücher für Kinder?“
Darauf antworte ich immer: „Tu ich gar nicht. Ich schreibe Geschichten, die geschrieben werden wollen.“

Ich schreibe Geschichten über Katzen, die ihren Tod überleben. Über Raben, die lautstark über die einzig wahre Rabenfarbe streiten. Über Zeichnungen, die plötzlich lebendig werden und Mut machen zum Neinsagen. Über Tiere, die dringend Freunde brauchen – weil sonst keiner für sie spricht. Über Hasen, die Hüte sammeln.

Geschichten über Tage, an denen es Teddybären regnet. Und über Nächte, in denen man einen Traumfreund braucht.

Macht das jemand, der wirklich und richtig und ganz erwachsen ist?